Warren Neidich, Parthenon Marble Recoded: The Phantom as Other

31.7. und 4.8.21, jeweils 18-20h performativer Vortrag im Foyer: Warren Neidich, Performing the Parthenon Marbles Recoded

The Parthenon Marbles Recoded: The Phantom as Other ist eine neue, karnevaleske Neonlicht-Wandinstallation des in Berlin lebenden, amerikanischen Künstlers Warren Neidich. Sie antizipiert eine beunruhigende Zukunft, indem sie heute darüber nachdenkt, was aus unserer Zivilisation im Moment der so genannten ‚Singularität‘ zukünftig werden könnte. Wie erstmals von John von Neumann formuliert, ist diese ‚Singularität ‘ das Ergebnis kontinuierlicher technologischer Beschleunigung.  Von Neumann ging davon aus, dass Maschinenintelligenz eines Tages den kritischen Punkt erreichen würde (den er als ‚Singularität‘ bezeichnete), an dem sie die menschliche Intelligenz überholen würde. Ihre künftige Fähigkeit, sich selbst zu replizieren und zu kodieren, würde sie zur herrschenden Intelligenz auf dem Planeten Erde machen, was die menschliche Spezies in eine existenzielle Katastrophe stürzen würde.

Diese Vorahnung bildet den Ausgangspunkt der Skulptur The Parthenon Marbles Recoded: The Phantom as Other.  Diese imaginiert ein transhistorisches Science-Fiction-Szenario, das sich aus einer klassischen griechischen Skulptur – den ‚Elgin Marbles‘ – und der Frage ihrer Restitution, sowie dem Phänomen der Phantom-Gliedmaßen und außerkörperlichen Erfahrung zusammensetzt. Diese disparaten Elemente sind durch die Schaltkreise eines komplexen künstlichen neuronalen Netzwerks verbunden, das mit einer Reihe von künstlichen Intelligenzen und der Singularität verschränkt ist. The Parthenon Marbles Recoded: The Phantom as Other spekuliert auf eine Zukunft, in der das Spektrale zu einem entscheidenden kritischen Instrument wird. Dabei bezieht sich der Künstler auf Jacques Derridas Konzept des ‚Gespenstes‘, wie er es in seinem Buch „Marx‘ Gespenster“ entwickelt: Eine Entität, die im Zentrum der Dialektik des Materialismus steht. Die beiden Begriffe ‚Phantom‘ und ‚Gespenst‘ verschränken sich zur vitalen Kraft eines subversiven Anderen, das an den äußersten Rändern der gesellschaftlichen Ordnung existiert. Im Unterschied zu jenen Kräften, die für gewöhnlich Gruppenzugehörigkeiten generieren, wird dieses ‚Andere‘ ebenjene Verbindungen bestimmen, die das künstliche neuronale Netzwerk bilden, welches wiederum die in diesem Werk antizipierte Superintelligenz und Singularität modelliert. Kurz gesagt fungiert das ‚Phantom‘ hier als eine Metapher für ‚Othering‘: Das Andere wird zu einem kritischen Instrument. Spuk, das Unheimliche (und ihre vielfältigen Aneignungen in der zeitgenössischen Kultur) dienen auf diese Weise nicht mehr nur der Beschreibung des reanimierten Leichnams oder Zombies, sondern werden zu einem analytischen und politischen Werkzeug, das den Status von Natur und Wissen als per se phantasmatisch zu entlarven vermag. Phantome werden dergestalt zu Metaphern für Queering und Dekolonisierung, die einen Prozess des Nichtwissens anstoßen und die Produktion dessen anregen, was Fred Moten und Stephano Harney die ‚Undercommons‘ nennen.

Die Installation wird im Rahmen der Ausstellung Activist Neuroaesthtics vom 1.Mai – 30.September 2021 gezeigt.

Die Installation wurde unterstützt von: