soft cruelties, Lena Marie Emrich
Sonderöffnungszeiten während der Berlin Art Week: 13.-15.9.2023 13-18h
Ob Venedig, Sardinien oder Uluru. Orte, an denen Schönheit zum Fluch wird, nehmen rasant zu. Overtourism aber auch überzogene Erwartungshaltung werden zur Norm im Wettreisen um die Welt. Lena Marie Emrichs‘ Ausstellung soft cruelties kreist um die daraus resultierende Konstruktion aus Realität, Fiktion und Spekulation. Dafür inszeniert die Künstlerin Sonnenschirme, sandfarbene Intarsien, Wunschbrunnen und eine Bank aus dem Garten Eden. Willkommen im Paradies von Lena Marie Emrich.
Für ihre jüngste Erzählung bedient sich die Künstlerin, wie so oft, alltäglicher Objekte und Materialien, die aus ihrem Kontext herausgelöst, manipuliert, nachgebaut und/oder überästhesiert werden. Kennzeichnend ist die Verwendung von technischen Werkstoffen in neuen Kontexten. Polierte Oberflächen, Ahorn, Bambus, farbige Einsprengsel – in den neuen Arbeiten trifft eine kühle, dennoch poetische Formensprache auf Materialien aus konträren Anwendungsbereichen. Die Palette reicht vom hochwertigen Festkörpermaterial HIMACS über eine Gruppe leicht trashiger Sonnenschirme aus Kunststoff-Raffia zu großformatigen Fensterfolien. Bei allem Realismus bleiben die einzelnen Arbeiten dabei meist assoziativ und in der Gruppe suggestiv.
In der für den Kunstverein neu entwickelten Ausstellung beleuchtet Emrich speziell jene Momente, in denen das Streben nach individuellem Vergnügen mit moralischen Grundsätzen in Konflikt gerät. So beschreibt der Titel sinngemäß jenes ungute Gefühl, von dem wir wissen, dass es sich unweigerlich einstellt, wenn wir uns entscheiden, die 1,99 Euro für die CO2-Kompensation bei der Buchung eines Flugs doch nicht zu bezahlen.
In dieser Hinsicht sind die Skulpturen von The plunge, die den Ausstellungsraum bevölkern, Metaphern für genau diese Diskrepanz, die soft cruelties so perfide macht. Das tödliche Schwert als Verlängerung des Sonnenschirms für die rücksichtslose Revierbesetzung im morgendlichen Kampf um die besten Plätze am Pool, oder als Handtuchhalter für den Zeitraum nach der geglückten Landnahme, steht dabei natürlich für Stärke, Macht oder Der Sonnenschirm hingegen wird mit Entspannung, Schutz vor der Sonne und Leichtigkeit assoziiert. Das Ergebnis dieser Kombination ist paradoxerweise „perfekt“ weil es in einer Welt, in der normale Konventionen von Ästhetik und Funktionalität herrschen, eine Herausforderung für traditionelle Vorstellungen darstellt – auch weil beide Elemente für sich genommen bereits eher extravagant sind, also weder funktional noch angemessen, und im Falle des Schwerts nicht mal echt.
Ist der gute Geschmack im Vorhergehenden in vielerlei Hinsicht herausgefordert, so wirken die sechs wie in Stein gemeißelten Reliefs, die Wunschbrunnen (wishing well) und das Konversationsmöbel Menage a trois (Garden Eden) in ihrer zurückhaltenden Farbigkeit und mit ihren perfekten Oberflächen ausgesprochen elegant. Sie alle sind aus HIMACS gefertigt, einem eigentlich in architektonischen Kontext verwendeten Plattenmaterial, das Emrich gefräst, gesägt, graviert und geschliffen hat. Die entstandenen Arbeiten zeugen von einer „… versteinerten Welt, aus der jede Flüchtigkeit entweicht. Ein Gegenentwurf zur Fluidität digitaler Screens, obschon am Computer entworfen, von CNC-Fräsen ausgeschnitten. Hier ist alles (vermeintlich) in Stein gemeißelt. Die Zeit steht still. Die Banalität des Alltags hat sein Monument gefunden.“ (Gianni Jetzer)
Abgeleitet von den Konversations-Möbeln (conversation pieces) des 18. und 19. Jahrhunderts, ist Menage a trois (Garden Eden) offensichtlich für drei Personen gedacht. Ganz im Sinne von Franco Berardi (Chaos and Poetry) nutzt die Künstlerin sie als aktivierendes Moment. Denn physische Nähe gepaart mit irritierender Fragmentierung und Dekonstruktion gewohnter Sprache regt zum Nachdenken an und fördert den Austausch.
Auf der Erde sind die Dinge weniger harmonisch. Deserted landscape offenbart eine unwirkliche Verwandlung irgendwo im nirgendwo, wo Autos wie umgedrehte Käfer auf dem Rücken liegen – eine surreale Metamorphose der Mobilität im post-anthropozänen Zeitalter. Die einstigen Ikonen der menschlichen Mobilität sind nun gestrandet. Fiat, Synonym für Fortbewegung, kehrt zu seiner ursprünglichen Bedeutung zurück: Es werde geschehen.
Offensichtlicher beziehen die übrigen Reliefs zum Thema Reisen Stellung. Wie in Swifts Gulliver zielt die Umkehr der Größe und damit der Macht in From Equanimity to tranquility auf die daraus resultierenden sozialen Konsequenzen Das zugrundeliegende Thema ist die Rolle einer Kultur des Überflusses. In Superyachten kondensieren sich alle Ungleichheit des herrschenden Kapitalozän (Grégory Selle). Indem sie eine solche Yacht mit einem Stock wegstößt, kehrt eine absurd große Frau in einem Akt der Selbstermächtigung die konventionellen Rollen um.
Ähnlich monumental und dabei vollkommen anonym erscheint die unter ihren Plastikponchos kaum mehr als Körper zu identifizierende Menschengruppe in Hugging raincoats während In Limbo zunächst heiter daherkommt. Bis dem Betrachter auffällt, dass eine anonyme Hand die Tänzerin brutal an ihrer Blumenkette zu Boden zieht. Anlass zu Spekulationen bietet das Relief Phallocentric keychain. Hält man sich an die Psychoanalyse, könnte man sagen, dass ein Turm der Ausdruck einer „vertikalen Überkompensation“ ist, quasi ein erectus completus – wo Höhe und Potenz in einer gewissen Weise zusammentreffen. Außer der Turm hängt wie in diesem Fall als Miniaturturm am Schlüsselring.
In Fight or Flight sehen wir wenig mehr als den Rumpf eines Menschen mit Anschnallgurt. Der Anschnallgurt, der normalerweise als Sicherheitsmaßnahme während des Fluges dient, wird in Emrichs Arbeit zu einem visuellen Ankerpunkt für die komplexen Entscheidungen, die wir in bedrohlichen Situationen treffen. Die Theorie geht davon aus, dass bei der Konfrontation mit einer potenziell gefährlichen Situation der Körper auf zwei Hauptweisen reagiert: durch Kampf (Fight) oder Flucht (Flight). Durch die Fokussierung auf den Anschnallgurt, der eine symbolische Verbindung zur Flugreise herstellt, bringt die Künstlerin diesen Dualismus der Überlebensstrategien in einen beklemmend bekannten Kontext. Ein Wunschbrunnen hilft in Fight-or-Flight -Situationen sicher ziemlich wenig. Es ist jedoch möglich, dass das Werfen von Münzen in einen Wunschbrunnen eine beruhigende und entspannende Wirkung haben kann, was zur Bewältigung von Stress beitragen könnte. Zu diesem oder anderen Zwecken gibt daher zwei in der Ausstellung.
Schlussendlich bleibt die Frage, ob wir am Ende alle terribel tourist sind? Um das herauszufinden, besuchen Sie soft cruelties, wo das sanften Grausamkeiten des Lebens auf subversive Weise enthüllt werden.


























Die Ausstellung wurde ermöglicht durch Unterstützung von
Vielen Dank an
petrichor, Vikenti Komitski
Einweihung / Inauguration: 16.09.23, 13-18 h
Eine Installation im Foyer des L40 / An installation in the foyer of L40
Wenn im Sommer leichter Regen auf Pflanzen und von der Sonne erwärmte Straßen trifft, entsteht ein ganz besonderer Geruch: Petrichor. Ein Geruch, der intensiv an schöne Sommererlebnisse erinnert und zugleich die einer Erinnerungen stets innenwohnende Melancholie mit sich trägt. Vikenti Komitskis Installation gleichen Namens im Foyer des L40 folgt dieser Spur und verbindet sie mit der Traurigkeit, die speziell durch die Entfremdung und Einsamkeit im modernen, industrialisierten Leben entsteht.
Im Zentrum der Arbeit steht ein verfremdeter Leuchtkasten mit der Abbildung einer Weltkugel und dem Zusatz Weltschmerz. Es stammt aus dem Berliner Hotel Mondial am Kurfürstendamm 47, das vor einiger Zeit abgerissen und durch ein Bürohaus ersetzt wurde. Tatsächlich erinnert Komitskis Installation an die Lobby eines Bürogebäudes oder eben eines Hotels. Diese allerdings sind nicht auf Hochglanz poliert, sondern eher in einem gebrauchten Zustand.
Quasi als Kommentar oder Erklärung verweist auf der anderen Seite des Raumes eine Tapete mit Motiven aus dem Buch Illustrations of Madness von John Haslam aus dem Jahr 1810 auf eben jene Moderne, die damals ihren Anfang nahm und sich heute sich mit zunehmender Geschwindigkeit selbst überschreibt. Haslams Buch enthält die erste psychiatrische Beschreibung einer sog. Beeinflussungsmaschine, also einer fiktiven technischen Apparatur, auf deren verborgene Einwirkung psychotische Patienten ihre Erlebnisse der Fremdsteuerung zurückführen. Abgebildet ist ein Mann verstrickt in eine Maschinen ähnliche Konstruktion, die an Proto-Computerserver also quasi eine Büroumgebung erinnert.
Inzwischen haben Technologien – von der Elektrizität, übers Telefon bis zum Laser – als Ursache psychischer Störungen die zuvor als externe Verursacher identifizierten Teufel und Dämonen in der Psychopathologie abgelöst. Diese skurrile Parallelgeschichte der Technik im paranoiden Wahn erfährt eine gewisse Korrektur durch ein gewaltig X, das sowohl im Bild wie real im Raum erscheint. In Verbindung von Zeichen und Bildzitat entsteht eine gewisse Ambiguität, die Vorstellungen von unsichtbaren Prozessen und Kontrollmitteln, die die Realität formen, evoziert und gleichzeitig löscht. Zurück bleibt das Gefühl einer „tiefen Traurigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt“ – eben jener nur auf Deutsch existierende Weltschmerz. (Jean Paul)
EN: In summer, when light rain hits plants and streets warmed by the sun, a very special smell is created: Petrichor. A smell that intensely recalls beautiful summer experiences and at the same time carries with it the melancholy that is always inherent in memories. Vikenti Komitski’s installation of the same name in the foyer of the L40 follows this trail and connects it with the sadness that arises specifically from alienation and loneliness in modern, industrialised life.
At the centre of the work is an alienated light box with an image of a globe and the word Weltschmerz. It comes from Berlin’s Hotel Mondial at Kurfürstendamm 47, which was demolished some time ago and replaced by an office building. Indeed, Komitski’s installation is reminiscent of the lobby of an office building or indeed a hotel. These, however, are not polished to a high sheen, but rather in a used condition.
On the other side of the room, a wallpaper with motifs from the book Illustrations of Madness by John Haslam from 1810 refers, as a commentary or explanation, to the very modernity that began at that time and is today overwriting itself with increasing speed. Haslam’s book contains the first psychiatric description of a so-called influence machine, i.e. a fictitious technical apparatus to whose hidden influence psychotic patients attribute their experiences of external control. A man is depicted entangled in a machine-like construction, reminiscent of a proto-computer server, i.e. a quasi office environment.
In the meantime, technologies – from electricity to telephones to lasers – have replaced the devils and demons previously identified as external causes in psychopathology as the cause of mental disorders. This bizarre parallel history of technology in paranoid delusion is somewhat corrected by a massive X that appears both in the image and in real space. Combining sign and image quotation, a certain ambiguity emerges that evokes and simultaneously erases notions of invisible processes and means of control that shape reality. What remains is the feeling of a „deep sadness at the inadequacy of the world“ – precisely that Weltschmerz that exists only in German. (Jean Paul)





Vielen Dank an
Raphaela Vogel, Elephant’s Memory (Memorial Structure)
@kunstverein_rlp
Raphaela Vogel, Elephant’s Memory
(Memorial Structure)
Eine Installation im öffentlichen Raum, Grünfläche Almstadt-/Rosa-Luxemburg-Str., Berlin Mitte / An installation in public space, public green between Almstadstr. and Rosa-Luxemburg-Str., Berlin Mitte
Bis 30. September 2023 / Until 30 September 2023
Die Arbeit Elephant’s Memory (Memorial Structure) verknüpft mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln (Skulptur, Malerei, Musik etc.) Anlässe des Gedenkens und Erinnerns mit persönlichen Begegnungen und Schnittpunkten aus der Biografie der Künstlerin Raphaela Vogel, die auch länger am Rosa-Luxemburg-Platz gelebt hat und später mit dem Werk des Erich Hopp in Berührung kam.
Der Song Jede Frau ist schön wurde von Erich Hopp und Carla Boehl 1931 veröffentlicht. In der von Raphaela Vogel aufgezeichneten Version erklingt er jeden Tag um 10, 13, 16 und 19 Uhr.
Erich Hopp war ein jüdisch-deutscher Schriftsteller, auf dessen Werk und Biografie die Künstlerin stieß, als sie ein Haus in Eichwalde erwarb, wo Hopp sich mit seiner Familie während der Nazizeit fast drei Jahre bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1945 versteckt hatte.
Roberto Burle Marx war ein brasilianischer Maler, Designer und Landschaftsarchitekt (berühmt etwa für die Gestaltung der Copacabana), der kurz vor seinem Tod einen Entwurf für die Gestaltung des Rosa-Luxemburg-Platzes entwickelt hat, den der damalige CDU-Senat aber nicht realisieren wollte (hier in die Installation integriert).
Der berühmte Modernist Ludwig Mies van der Rohe (Neue Nationalgalerie) hat 1926 ein abstraktes Denkmal für die ermordeten Kommunist_innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gebaut, das von den Nazis restlos zerstört worden ist (hier in der Malerei sichtbar).










The work Elephant’s Memory (Memorial Structure) uses various artistic means (sculpture, painting, music, etc.) to link moments of commemoration and remembrance with personal encounters and intersections from the biography of the artist Raphaela Vogel, who also lived at Rosa-Luxemburg-Platz for a lengthy period and later came into contact with the work of Erich Hopp.
The song Every woman is beautiful was published by Erich Hopp and Carla Boehl in 1931. In the version recorded by Raphaela Vogel, it is played every day at 10 a.m., 1 p.m., 4 p.m. and 7 p.m.
Erich Hopp was a Jewish-German writer whose work and biography the artist came across when she bought a house in Eichwalde, where Hopp had hidden with his family for almost three years during the Nazi era until liberation by the Red Army in 1945.
Roberto Burle Marx was a Brazilian painter, designer and landscape architect (famous, for example, for the design of the Copacabana), who shortly before his death developed a scheme for the redesign of Rosa-Luxemburg- Platz, which the CDU Senate at the time did not want to realize (here integrated into the installation).
The famous modernist Ludwig Mies van der Rohe (Neue Nationalgalerie) built an abstract monument to the murdered communists Rosa Luxemburg and Karl Liebknecht in 1926, which was completely destroyed by the Nazis (visible here in the painting).
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Die Recherche zu diesem Projekt wurde ermöglicht durch ein NEUSTARTplusStipendium der Stiftung Kunstfonds / NEUSTART KULTUR der BKM. | The research for this project was made possible by a NEUSTARTplus grant from the Stiftung Kunstfonds / NEUSTART KULTUR of the BKM.
The opening is kindly supported by:
Carlos Noronha Feio, (lasst blumen wachsen!)





Carlos Noronha Feio
(lasst blumen wachsen!)
Installationsdauer: 9.6. – 31.8.2023 | zu Bürozeiten geöffnet
Im Herbst 2022 zeigten wir im Foyer des L40 die Installation des portugiesische Künstler Carlos Noronha Feio (grow flowers!). Planmäßig folgt nun die deutsche Version (lasst blumen wachsen!), die Teil einer sich entwickelnden Reihe anderer sprachlichen Varianten ist. Die Hintergrundfarbe, die Irina Gheorghe aus dem Farbrepertoire der Melodramen von Douglas Sirk ausgewählt hat, verbindet das Foyer des Kunstvereins situativ mit der parallel laufenden Ausstellung High Heel Communism im zweiten Stock.
Die Installation (lasst blumen wachsen!) lenkt unseren Blick vom Himmel auf die Erde, indem sie uns apodiktisch auffordert, Blumen zu pflanzen. Das ist an sich nie eine schlechte Idee und erfreut sich derzeit so großer Beliebtheit, dass überall in den Stadtzentren Bürgergärten entstehen. Das sogenannte Guerilla Gardening ist nicht zuletzt eine Reaktion auf immer weniger Grün in der Stadt, architektonischen Tristesse, steigende Luftverschmutzung und das Bedürfnis, die Stadt wieder als soziale Gemeinschaft zu erleben.
Die Arbeit war eine der ersten Arbeiten, die der Künstler im Rahmen seiner Textserie produzierte. Sie existiert in mehreren Sprachvarianten, was der Künstler als integralen Teil des Werks sieht. Das kurze Zitat – im Original Russisch – stammt aus dem „Gedicht über Blumen“ des nonkonformistischen sowjetischen Dichters Genrikh Sapgir (Heinrich Sapgir). In diesem Gedicht adressiert Sapgir verschiedene Berufsgruppen aus unterschiedlichen Bereichen des Lebens und spricht sie direkt an; letztlich um ihre Arbeit in Frage zu stellen und sie aufzufordern, stattdessen Blumen zu züchten. „Lasst Blumen wachsen, lasst Ideen wachsen, lasst die Setzlinge eures eigenen Schaffens wachsen und kultiviert euch selbst und andere.
EN
In autumn 2022, we showed the installation by Portuguese artist Carlos Noronha Feio (grow flowers!) in the foyer of L40. As planned, the German version now follows (lasst blumenwachsen!), which is part of an evolving series of other linguistic variants. The background colour, chosen by Irina Gheorghe from the colour repertoire of Douglas Sirk’s melodramas, situationally connects the foyer of the Kunstverein with the parallel exhibition High Heel Communism on the second floor.
The work (lasst blumen wachsen!) directs our gaze from the sky to the earth by asking us to plant flowers. This is never a bad idea in itself and is currently so popular that civic gardens are springing up all over city centres. This so-called Guerilla Gardening is not least a reaction to less and less green in the city, architectural dreariness, increasing air pollution and the need to experience the city as a social community.
The work was one of the first pieces the artist produced in his text-series. It exists in several language variants, which the artist sees as an integral part of the work. Originally Russian, the expression derives from the ‘poem on flowers’ by Soviet non-conformist poet Genrikh Sapgir. In this poem, Sapgir talks to various professional groups from different parts of life. He addresses them directly, ultimately questioning their work and asking them to grow flowers instead. “Grow Flowers, grow ideas, grow the seedlings of your own making, and cultivate yourself and others.”
The views expressed herein can in no way be taken to reflect the official opinion of the European Union.
Carlos Noronha Feio, (sunclipse!) / (sunsight!)


Carlos Noronha Feio (sunclipse!) / (sunsight!)
Einweihung / Inauguration: 17. September 2022, 13-18h (@L40)
Eine Installation im öffentlichen Raum, Rosa-Luxemburg-Straße 27 + 28, Berlin Mitte / An installation in public space, Rosa-Luxemburg-Straße 27 + 28, Berlin Mitte
Bis 5. November 2022 zeigen wir im Foyer des L40 zusätzlich die Installation (grow flowers!). / Until 5 November 2022, we will also be showing the installation (grow flowers!) in the foyer of L40.
Mit den beiden Schriftzügen (sunclipse!) und (sunsight!) spielt der portugiesische Künstler Carlos Noronha Feio auf den Architekten und Systemtheoretiker Buckminster Fuller und dessen Überzeugung an, dass der falsche Sprachgebrauch überholte Realitäten aufrecht erhält. So war dieser überzeugt, dass wir niemals in der Lage sein werden, uns von dem Irrglauben zu lösen, das Zentrum des Universums zu sein, solange wir z.B. wissenschaftlich überholte Wörter wie Sonnenuntergang und Sonnenaufgang verwenden. Buckminster schlug daher neue Begriffe für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vor, und zwar Sonnenfinsternis und Sonnensicht. Die Neologismen weisen über die nachklingende geozentrische Tendenz vorkopernikanischer Himmelsmechaniken hinaus und beschreiben konkret, wie wir die Sonne abhängig von der Konstellation aus Erdbewegung und unserer individuellen geografischen Position jeweils sehen – oder eben nicht. Eine einfache Änderung der Sprache kann also Einstellungen ändern
Vielleicht fügen sich die beiden gegenüberliegenden Begriffe deshalb perfekt in die städtebaulichen Gegebenheiten vor Ort ein. Die im Nord-Süd-Ausrichtung der Rosa-Luxemburg-Str. führt dazu, dass die Westseite nur morgens und die Ostseite nur abends Sonne abbekommt. (sunclipse!) und (sunsight!) beschreiben also wie von Buckminster angeregt konkrete Phänomene.
Die zweite Installation des Künstlers (grow flowers!) im Foyer des Kunstvereins lenkt unseren Blick vom Himmel auf die Erde, indem sie uns apodiktisch auffordert, Blumen zu pflanzen. Das ist an sich nie eine schlechte Idee und erfreut sich derzeit so großer Beliebtheit, dass überall in den Stadtzentren Bürgergärten entstehen. Das sogenannte Guerilla Gardening ist nicht zuletzt eine Reaktion auf immer weniger Grün in der Stadt, architektonischen Tristesse, steigende Luftverschmutzung und das Bedürfnis, die Stadt wieder als soziale Gemeinschaft zu erleben.
Die Arbeit (grow flowers!) war eine der ersten Arbeiten, die der Künstler im Rahmen der Textserie produzierte. Sie existiert in mehreren Sprachvarianten, was der Künstler als integralen Teil des Werks sieht. Das kurze Zitat – im Original Russisch – stammt aus dem „Gedicht über Blumen“ des nonkonformistischen sowjetischen Dichters Genrikh Sapgir (Heinrich Sapgir). In diesem Gedicht adressiert Sapgir verschiedene Berufsgruppen aus unterschiedlichen Bereichen des Lebens und spricht sie direkt an; letztlich um ihre Arbeit in Frage zu stellen und sie aufzufordern, stattdessen Blumen zu züchten. „Lasst Blumen wachsen, lasst Ideen wachsen, lasst die Setzlinge eures eigenen Schaffens wachsen und kultiviert euch selbst und andere.“.
Im Frühjahr 2023 wird eine deutsche Version die englische ersetzen.
With (sunclipse!) and (sunsight!), the Portuguese artist Carlos Noronha Feio alludes to the architect and systems theorist Buckminster Fuller and his conviction that the wrong use of language perpetuates outdated realities. The latter was convinced that we will never be able to rid ourselves of the mistaken belief that we are the centre of the universe as long as we use scientifically outdated words such as sunset and sunrise, for example. Buckminster therefore proposed new terms for sunrise and sunset, namely sunclipse and sunsight. The neologisms point beyond the lingering geocentric bias of pre-Copernican celestial mechanics and specifically describe how we see – or don’t see – the sun depending on the constellation of earth’s movement and our individual geographical position. A simple change of language can therefore change attitudes.
At the same time, the two opposing quotes fit perfectly into the urban planning conditions on site. The north-south orientation of Rosa-Luxemburg-Str. means that the west side only gets sun in the morning and the east side only in the evening. (sunclipse!) and (sunsight!) thus describe concrete phenomena.
The artist’s second work (grow flowers!) in the foyer of the Kunstverein directs our gaze from the sky to the earth by asking us to plant flowers. This is never a bad idea in itself and is currently so popular that civic gardens are springing up all over city centres. This so-called Guerilla Gardening is not least a reaction to less and less green in the city, architectural dreariness, increasing air pollution and the need to experience the city as a social community.
The work was one of the first pieces the artist produced in the text-series. It exists in several language variants, which the artist sees as an integral part of the work. Originally Russian, the expression derives from the ‘poem on flowers’ by Soviet non-conformist poet Genrikh Sapgir. In this poem, Sapgir talks to various professional groups from different parts of life. He addresses them directly, ultimately questioning their work and asking them to grow flowers instead. “Grow Flowers, grow ideas, grow the seedlings of your own making, and cultivate yourself and others.”
A German version will replace the English one in the spring of 2023.
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