Dauer: 1.-4. November, je von 17h-19h
Besucher*innen sind dazu eingeladen, den Raum während der Öffnungszeiten zu jedem Zeitpunkt zu betreten und zu verlassen.
Rosa Luxemburg, Herbarium, copyright: Karl Dietz Verlag, Berlin GmbH
ASSEMBLE freut sich, als letzte Produktion der ersten Spielzeit 2018 die neue performative Arbeit von Manuel Pelmuş in Kollaboration mit dem L40-Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz zeigen zu dürfen. Manuel Pelmuş präsentiert eine viertägige Live-Ausstellung, die die Bilder und Ideen zweier Revolutionärinnen zum Ausgangspunkt nimmt, die beide in ihrem eigenen Arbeitsfeld in Berlin vor 100 Jahren wirkten: Rosa Luxemburg und Mary Wigman. Pelmuş Arbeit funktioniert nicht als Re-Enactement oder als Setzen eines Denkmals für die beiden historischen Figuren, stattdessen interessiert er sich für die Verbindung zwischen ihnen als revolutionäre Frauen. Darin macht er Elemente ihres Lebens und ihrer Arbeit als „ready-mades“ für zeitgenössische Lesarten wirksam. Die Ausstellung arbeitet mit einer Vielzahl an Bildern, die den Körper als Austragungsort von Widerstand und Handlungsfähigkeit betrachten, und verkörpert die politische Idee, dass die Handlung eines einzelnen immer in Wechselwirkung mit den Handlungen und Produktionen anderer steht, selbst wenn sie nicht den selben Raum und die selbe Gegenwart teilen.
Im Kunstverein wird eine neue fortlaufende Aktion für eine einzelne Tänzerin kontinuierlich für zwei Stunden jeden Tag performed, synchron zu der Aktion einer weiteren Tänzerin in Bukarest. Obwohl zwischen den beiden Handlungen keine sichtbare Verbindung besteht, verbindet das Wissen über das geteilte Wissen die Zuschauer der beiden Städte miteinander. Die Aktion ruft Mary Wigmans „Hexentanz“ oder „witch-dance“ wieder ins Leben, den sie 1914 in der Weimarer Republik entwickelte. Wigmans Hexentanz wird als revolutionäres Stück rezipiert, der die Konventionen klassischen Balletts durchbrach: der Großteil des Körpers ist bekleidet, der Tanz nutzt abrupte, ungraziöse Bewegungen, Reminiszenzen klandestiner, okkulter Bewegungsregister. Pelmuş arbeitet mit dieser Referenz der Tanzgeschichte und verlangsamt sie drastisch in der Bewegung. Seine Arbeit spielt mit den Narrativen des Fortschritts, die westliche Metropolen als (zu allen Zeiten) „ultimativ zeitgenössisch“ denkt, während der Rest der Welt stets „zu spät“ zu sein scheint, und alles daran setzt, zu beschleunigen. Pelmuş spielt mit dieser Dynamik durch ein tatsächliches, physisches Umsetzen der Verlangsamung im westlichen Kontext, so dass dem Osten inzwischen Zeit bleibt, aufzuholen.
Im zweiten Teil der Ausstellung arrangiert Pelmuş verschiedene Referenzen zu Rosa Luxemburgs Leben und Arbeit, unter anderem ihre private Sammlung getrockneter und gepresster Pflanzen, die sie in Isolation während ihrer Gefangenschaft schuf. Seine Recherche setzt den Fokus auf ihr philosophisches und wissenschaftliches Schreiben in ihren Briefen und dem „Herbarium“ – beides entstand in der Zeit ihrer Inhaftierung. Die Ausstellung schafft eine Verbindung zwischen Luxemburgs Sammlungen und den Bedingungen ihrer Genese: körperlich isoliert und trotzdem in Verbindung zu Anderen. Die historische Figur Rosa Luxemburgs wird in den Zusammenhang einer revolutionären Position der Tanzgeschichte gestellt, die parallel zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig waren. Im Gegensatz zu vielen anderen künstlerischen Sparten, sah der moderne Tanz bereits im damaligen Diskurs Frauen oft als Vorreiterinnen innovativer Praxis, die revolutionäre Tänze entwickelten, die maskuline Machtstrukturen konfrontierten und weibliche Perspektiven auf die modernistische Agenda eröffneten. Die persönlichen Geschichten der beiden Frauen stehen trotz der Parallelität in starkem Gegensatz zueinander: Luxemburg wurde für ihre revolutionären Aktivitäten umgebracht, während Wigman, obwohl sie durchaus durch das nationalsozialistische Regime kritisiert wurde, den zweiten Weltkrieg in Dresden überlebte und ihre Arbeit fortführen konnte.
Pelmuş bezieht eine weitere weibliche Perspektive mit ein: Geta Brătescu, die einflussreiche rumänische Künstlerin, die im September 2018 verstorben ist. Der Ort für die fortlaufende Aktion in Bukarest ist eine Ausstellung, die Brătescus Zeichnungen des Danube Deltas gewidmet ist und weibliche Arbeiterinnen der sozialistischen Zeit zeigt. Die fortlaufende Aktion wird zwar von den beiden Städten geteilt, nimmt allerdings eigene Bedeutungen im Kontext des jeweiligen geographischen und kulturellen Settings an.
Manuel Pelmuş lebt und arbeitet in Oslo and Bucharest. Zuletzt wurde seine Arbeit in einer Einzelausstellung im Para Site, Hong Kong, präsentiert. Weitere Projekte wurde unter anderem in der Tate Modern, Museum Ludwig Köln, (2016); Off-Biennale Budapest (2015 and 2017); Kyiv Biennale (2015); Centre Pompidou, Paris (2014); Van Abbemuseum, Eindhoven (2014); Muzeum Sztuki Nowoczesnej w Warszawie/ Museum of Modern Art, Warsaw (2014) und der Venedig Biennale (2013) gezeigt.
Performerinnen: Maria Scaroni (Berlin), Elizabeth Ward (Bukarest)
ASSEMBLE wird gefördert von den Hauptstadtkulturfonds.
Das Projekt von Manuel Pelmuş wird zudem von dem Rumänischen Kulturinstitut Berlin und Ivan Gallery unterstützt.
Ongoing action: November 1-4, 17h-19h each
Visitors are invited to come and leave the space as they wish during opening hours.
ASSEMBLE is proud to present a new live work by Manuel Pelmuş, in collaboration with the Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz. Pelmuş presents a 4-day, live exhibition that draws on the imagery and ideas of two revolutionaries, each in their own field, in Berlin of 100 years ago: Rosa Luxemburg and Mary Wigman. Pelmuş is not reenacting or memorializing either of them, instead he is interested in the connection between them as revolutionary women, and draws on elements of their life and work as available ‘ready-mades’ for contemporary meanings. The exhibition proposes many images of the single body as a site of resilience and agency, and embodies the political idea that when one acts alone, the act is always animated by the production of others, even if they do not share the same time or place.
In the Kunstverein, a new ongoing action for a single dancer is performed continuously for two hours each day, synched with a dancer in Bucharest. Although there is no visible link between the two, the knowledge of their shared movements connects audiences across the two cities. The action remediates Mary Wigman’s “Hexentanz”, or witch-dance, originally created in 1914 in the Weimar republic. It is considered a revolutionary piece, opposing the conventions of ballet by covering much of the dancer’s body and using abrupt, ungraceful movements reminiscent of occult interferences. Pelmuş takes this reference from dance history and slows it down drastically. His piece thus plays on the narrative of progress, which imagines Western capitals to be contemporary (at all times), while the rest of the world is always a little late, and constantly trying accelerate. Pelmuş plays with this dynamic by literally ‘slowing down’ history so that the east can ‘catch up’ with the times.
In the second part of the exhibition, Pelmuş arranges various references to Rosa Luxemburg, including her personal collection of pressed plants she created in isolation during her imprisonments. His research focused on the philosophical and scientific writings in her letters and “Herbarium” book. The exhibition forms a connection between Luxemburg’s collections and the condition of their making: physically isolated, and yet connected to others. The figure of Rosa Luxemburg is associated with a woman revolutionary from dance history, active in parallel in the early 20th century. Unlike other artistic disciplines, modern dance saw women at the forefront of innovation, producing revolutionary dances which complicated male power structures and introduced women’s perspectives into the modernist agenda. The two women’s personal stories, however, are starkly opposed: Luxemburg was killed for her revolutionary activities, while Wigman, although criticized by the Nazis, managed to wait out the 2nd world war in Dresden and then resume her work.
Pelmuş includes reference to one more woman: Geta Brătescu, the influential Romanian artist who passed away in September 2018. The location of the ongoing action in Bucharest is an exhibition dedicated to Brătescu’s drawings from the Danube Delta, depicting women workers in Socialist times. The ongoing action is thus shared across the cities, but takes on local meaning in each of its settings.
Manuel Pelmuş lives and works in Oslo and Bucharest. He has recently had a solo exhibition at Para Site, Hong Kong, and his projects have been shown at Tate Modern Museum, Museum Ludwig Köln, Cologne (2016); Off-Biennale Budapest (2015 and 2017); Kyiv Biennale (2015); Centre Pompidou, Paris (2014); Van Abbemuseum, Eindhoven (2014); Muzeum Sztuki Nowoczesnej w Warszawie/ Museum of Modern Art, Warsaw (2014) and Venice Biennale (2013), amongst others.
Performers: Maria Scaroni (Berlin), Elizabeth Ward (Bucharest)
ASSEMBLE is supported by the Capital Cultural Fund, Berlin.
Further support for Manuel Pelmus’ project is provided by the Romanian Cultural Institute Berlin and Ivan Gallery.